Musik-Schamanin

Hagara Feinbier im Gespräch

Interview Barbara Stützel 23.10.2015

Hagara Feinbier lebt seit 1991 im ZEGG. Als Musikerin hat sie seit Beginn das ZEGG begleitet. Zunächst initiierte sie Chorprojekte, aber bald begann ihre eigene Leidenschaft: mit einer Vielzahl internationaler eingängiger Lieder bringt sie die unterschiedlichsten Menschen dazu, miteinander zu singen und zu schwingen. Hier entsteht Gemeinschaft. Ihre Liederbücher und CDs, die diese „Come Together Songs“ enthalten, sind europaweit bekannt.

Barbara: Als ich dich nach einem Interview zu deiner Kunst gefragt habe, hast du ja mal wieder an dem Begriff gezweifelt — obwohl du Musik machst, siehst du dich nicht immer als Künstlerin. Was würde denn besser zu dir passen?

Hagara: Mir gefällt der Begriff Musik-Schamanin viel besser für das, was ich tue. Nicht, dass ich nicht auch Musikerin wäre, ich habe ja Musik studiert, habe eine Chorleiter — und eine Rhythmusausbildung. Aber das ist mehr die Basis. Beim gemeinsamen Singen geht es weniger um diese Fähigkeiten, sondern um den Raum und die Energie, die die Musik aufbaut. Das ist zwar auch eine Kunst, aber nicht in dem Sinn, was Kunst sonst ausmacht: Virtuosität, Extravaganz, immer neu sein müssen. Darum geht es nicht. Mir geht es darum, immer mehr wegzulassen, um beim Kern zu landen, wo es um Liebe geht, um Kontakt. Und um Spiritualität.

Deswegen auch die Schamanin…

Taketina hat mir viel eröffnet, das ist eine starke rhythmische Basis auf der etwas anfängt zu leben, zu atmen, zu pulsieren. So was liebe ich, wo ich in der Musik aufgehe und „verschwinde“. Als Chorleiterin habe ich schon auch mal die andere Rolle, da kann ich auch mal voll aufdrehen und temperamentvoll sein und herausfordern. Das macht auch Spaß, so wie am Dienstag (Anmerkung: da haben Hagara und Barbara einen Abend eingeladen, mit syrischen Flüchtlingen zu singen) mal 40 Männer zu dirigieren, das war schon auch eine Wonne.

Du lebst ja hier im ZEGG, in einer Gemeinschaft. Was hat deine Arbeit mit Gemeinschaft zu tun?
Meine Wochenendkurse außerhalb nenne ich „Heilkraft, Singen & Gemeinschaft“. Meine Bücher heißen Come Together Songs. Der Titel ist Programm. Es geht um Kontakt auf den verschiedenen Ebenen. Erstmal der Kontakt zu sich selbst, durch das Singen kriege ich ja auch Kontakt zu meinem Gefühlen, auch zu den schmerzhaften, Wut, Trauer, Freude – du kannst sie wahrnehmen durch das Singen und hast gleichzeitig direkt eine Ausdrucksmöglichkeit dafür, du bleibst nicht darauf sitzen. Das ist heilsam für dich persönlich, weil die Emotionen in den Fluss kommen. Das andere ist: du kommst in Kontakt mit anderen Menschen. Wenn du nicht hören würdest was sie singen und dich nicht einpasst in den Klang, dann gäbe es nichts gemeinsam. Also ist jeder bei sich und beim anderen, dadurch entsteht schnell eine essenzielle energetische Verbindung. Tänze und Begegnungslieder unterstützen das noch.

Und letztlich geht es auch um den Kontakt mit dem Unaussprechlichen, mit dem großen universellen Göttlichen, was da immer mit durchschimmert, das was größer ist als wir selbst und was sich nicht planen lässt. Schon vor Urzeiten war Musik dafür da, den Kontakt zu dem Göttlichen herzustellen, das war der Ursprung jeder Musik, lange bevor sie Unterhaltungscharakter gekriegt hat.

Und diese Form Gemeinschaft zu erzeugen, hat sich ja auch ganz schön ausgebreitet in den letzten Jahren.
Ja, es gibt viele Singkreise, die auch aus meinen Jahresgruppen entstanden sind. Menschen entdecken das Singen für sich und bauen diese heilsamen Räume mit anderen auf, egal wo — in Kindergärten, therapeutischen Gruppen, Hospizen, überall wo Menschen zusammen kommen und es um Gemeinschaft geht.
Du hast ja jetzt ein Jahr ein Sabbatjahr eingelegt und keine Seminare geleitet. Wofür hast du es genutzt? Wird sich dadurch etwas verändern in deiner Arbeit?

Ich hatte endlich mal Zeit, mir andere Workshops anzugucken. Mich haben schon immer die Tänze des Universellen Friedens der Sufis interessiert, wo ich mich jetzt für eine zweijährige Fortbildung angemeldet habe. Dort begeistert mich die Verbindung von Singen, Bewegung und der universelle spirituelle Hintergrund. Und das wird natürlich auch in meine Workshops einfließen.
Und in dem Jahr habe ich Fredrik Vahle kennengelernt, den von mir hoch verehrten Kinderliedermacher und mit ihm ist ein sehr schöner Kontakt entstanden. Ich kenne ihn schon 40 Jahre — aber nur von seinen Liedern. Und plötzlich saß er mir gegenüber und wir haben uns als zwei Kulturschaffende über unsere Innenvorgänge und unsere Suche ausgetauscht: Wo geht’s lang und wo brennt mein Feuer? Da musste ich ihn einfach zum nächsten Songfestival einladen und – er kommt! Deshalb gibt es beim nächsten Songfestival zwei Schwerpunkte: Singen mit Kindern mit ihm und Unmada. Und mehrstimmige a cappella songs mit Susie Ro Prater und Raaja Fischer.

Manche fahren ja in so einem Sabbatjahr lange weg, du hast aber bewusst keine lange Reise gemacht, sondern bist zu Hause im ZEGG geblieben….warum?

Meine Suche war, mehr Zeit für das Zwischenmenschliche zu haben, für persönlichen Kontakt und Freundschaftspflege und für das Nicht Tun. Das war ein bisschen besser als sonst, ganz ist es mir aber nicht gelungen. Wenn alle in der Gemeinschaft so geschäftig sind, fällt es schwer, ein Ruhepol zu bleiben und zu sagen: ich habe jetzt Sabbatjahr. Das Highlight war das Pfingstfestival, da war ich einfach als Teilnehmerin da. Ich hätte ja auch wegfahren können, aber ich fand das Festival inhaltlich so interessant, dass ich gar nicht wegfahren wollte. Und das war eine schöne Erfahrung: am Dorfplatz sitzen, Zeit haben, mit alten Freunden Gespräche führen. Das würde ich gerne öfter machen.

Ein bisschen mehr Ruhe in den Alltag mit rüber nehmen, das will ich auf jeden Fall versuchen, ich hoffe, das gelingt mir ein Stück.
Erzählst du uns noch als letztes ein Highlight aus deinem Sabbatjahr?

Vielleicht, dass ich einen Song für Maria geschrieben habe? Ich wollte mir ja auch ein bisschen Zeit nehmen für eigene Lieder und da habe ich gedacht: Warum soll man immer nur Lakshmi besingen, warum nicht Maria? Da ist ein kleiner Song entstanden, den ich auch in einer Kappelle in Alt Ötting für die schwarze Madonna gesungen habe. Das war ein wunderbarer Moment an einem sehr kraftvollen Platz.

Vielen Dank für das Gespräch.